Praktika

Das Wald- und Forstpraktikum in der 7. Klasse

Die Freie Waldorfschule Oberberg ist in der glücklichen Lage, nicht nur von Laubwäldern und Fichtenforsten umgeben, sondern auch Eigentümerin solcher Parzellen zu sein. Die Einsicht, dass Wald Hege und Pflege braucht, oder zu erfahren, was die Menschen dem Wald verdanken, kann ein Aha-Erlebnis sein. Seit schriftlosen Vorzeiten verändert der Mensch die Landschaft als Gestalter, der die Welt um Vielfalt und Komplexität bereichern kann, und als Zerstörer, der Landschaften degradiert und zu ihrer Verarmung beiträgt.

Das Tun und Schaffen der Siebtklässler vermag einen ersten gefühlsmäßigen Einblick in oben genannte Zusammenhänge zu vermitteln. Die Schüler arbeiten mit Eltern und Gartenbaulehrern an der Umwandlung des Schul-Fichtenforsts in einen naturnahen Laubwald. Sie üben sich in Wald- und Bodenpflege, Holzfällerarbeiten und pflanzen am Ende des zweiwöchigen Praktikums junge Laubbäume.

Mit diesem dreiwöchigen Einsatz beginnt die Reihe der jährlichen Praktika, die sich durch die ganze Oberstufe zieht.

Das Handwerkspraktikum in der 8. Klasse

führt die Schüler zum ersten Mal aus der Schule hinaus und in die Arbeitswelt hinein. Sie müssen deshalb sorgfältig betreut werden. Auch den Betrieben gilt die Aufmerksamkeit der betreuenden Lehrer, denn der Kontakt zwischen Schule und Wirtschaft, der zu einer modernen Schule dazugehört, beginnt an dieser Stelle ganz konkret.

Die Achtklässler suchen sich im heimatlichen Oberberg Betriebe, in denen sie, auf sich gestellt, zwei bis drei Wochen lang ganztägig arbeiten. Möglichst große Freiheit soll herrschen, damit Eigeninitiative nötig wird und Interessen sich aussprechen können. Der Blick des Klassenlehrers und verantwortlichen Betreuers gilt der Auswahl des Betriebes und der Arbeit, um bei Über- oder Unterforderung einen schlechten Einstieg in die Arbeitswelt zu vermeiden und um aus pädagogischer Sicht dem, was der Schüler braucht, Rechnung zu tragen. Die Betriebe sollen klassische Handwerksbetriebe sein. Historisch gewachsen und typisch für die oberbergische Region sind metallverarbeitende und –veredelnde Sparten, aber auch die Holzverarbeitung, der Garten- und Landschaftsbau, Gärtnereien und Betriebe der Lebensmittelverarbeitung (z. B. Bäckereien) werden gerne gewählt.

Die Schüler führen ein Protokoll- und Arbeitsheft; nach dem Praktikum halten sie vor den Klasseneltern und Mitschülern einen Vortrag über ihre Erfahrungen. Dies sind entscheidend wichtige Schritte, damit eine bewusste Auseinandersetzung mit dem am eigenen Leib Erfahrenen stattfindet.

Oft sind es körperliche Erfahrungen, die sich einprägen, das frühe Aufstehen, die Länge eines Achtstundentages, die Kälte eines Betonbodens in der Kfz-Werkstatt und nicht zuletzt die Müdigkeit nach einem Arbeitstag.

Am Ende des Handwerkspraktikums steht eine Beurteilung. Im Abschlusszeugnis der Klasse 8 gibt der individuelle Betreuer des Schülers seinen Eindruck zu Arbeitshaltung, Initiative und Aufarbeitung des Praktikums wieder – das kurze Zeugnis des Betriebes geht wie auch die Selbstreflexion des Schülers in die Portfoliomappe (vgl. nachfolgenden Text) ein und kann als Anhang zu einem Abgangs- oder Abschlusszeugnis bei der Bewerbung eine wertvolle Einschätzungshilfe für die Betriebe werden und dem Schüler sehr nützlich sein.

Das Landwirtschaftspraktikum in der 9. Klasse

Das Landwirtschaftspraktikum in der 9. Klasse hat unter anderem zum Ziel, den Schülern Erfahrungen in Betrieben landwirtschaftlicher Nahrungserzeugung realistisch und lebensnah zu vermitteln.

Auf der theoretischen Ebene setzen sich die Jugendlichen mit den Unterschieden zwischen konventionellem und biologischem bzw. ökologischem Landbau auseinander.

Einige Grundlagen wurden bereits im Gartenbau-Unterricht der Waldorfschule angelegt.

Praxis erfahren die Schüler, indem sie – allein oder zu zweit – für drei Wochen den Alltag eines biologisch wirtschaftenden Bauernhofs miterleben – dort mitarbeiten und mitwohnen. Sie erleben dadurch auch das soziale Miteinander der Menschen mit, die von ihrem Wirtschaften leben. Und sie können eindrucksvoll erfahren, welch eine Vielfalt von Beziehungen sich im tätigen „Ur-Handwerk“ des Nahrung-Erzeugens und in der Arbeit mit Erde, Boden, Pflanzen, Tieren, dem Jahreslauf der Natur sowie im Umgang mit landwirtschaftlichen Maschinen und Produktionsabläufen ergeben.

Bei ihren vor allem körperlichen Arbeiten schulen die 14- bis 16-jährigen Schüler insbesondere Durchhaltevermögen, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit, Sorgfalt sowie Planungs- und Handlungskompetenz.


Die Jugendlichen können eine Wertschätzung für landwirtschaftliche Arbeitsprozesse und biologische Nahrungsmittel sowie für das Zusammenspiel von Mensch und Natur entwickeln.

Die Jugendlichen dokumentieren ihre Tätigkeiten in den verschiedenen Arbeitsbereichen in einem individuellen Berichts- bzw. Praktikumsheft.

Jeder Schüler schreibt einen Rückblick auf seine Arbeit, in dem er das Erlebte auch ganz persönlich reflektiert. Diese Selbstreflexion fließt zusammen mit dem „Arbeitszeugnis“ des landwirtschaftlichen Hofes in das künftige Abschlussportfolio des Schülers ein.

Nach dem Praktikum hält jeder Schüler ein Kurzreferat vor Eltern, Lehrern und Gästen über einen Aspekt des Arbeitens und Zusammenlebens während dieser Zeit.

Das Feldmesspraktikum in der 10. Klasse

Laut Lehrplan wird in der 10. Klasse der Freien Waldorfschule Oberberg im Mathematikunterricht Trigonometrie theoretisch behandelt und im Anschluss sorgt ein Feldmesspraktikum für die praktische Vertiefung. Die Schüler eignen sich bei der Vermessung eines Landstückes Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit den erforderlichen Messgeräten an. Mit Hilfe der dabei gewonnenen Daten stellen sie die erforderlichen Berechnungen an und zeichnen eine Geländekarte.

In einzelnen Arbeitsgruppen erlernen sie Teamarbeit, selbstständig zu organisieren und die un-terschiedlichen Begabungen der Gruppenmitglieder zu nutzen. Außerdem erlernen sie so das Verständnis für die Notwendigkeit vom genauen und sorgfältigen Arbeiten, sowie die Wertschätzung von Stadtplänen und Atlanten.

Bei den verschiedenen Tätigkeiten wird das Abstraktionsvermögen gestärkt, was sich vor allem in der Fähigkeit zeigt, die Landschaft in einer Karte zu abstrahieren und umgekehrt aus einer Karte die Landschaft zu begreifen. Durch das Feldmesspraktikum wird insbesondere das persönliche Orientierungsvermögen geschult. Nach dem Praktikum wird jeder Schüler kurz über das Praktikum reflektieren und somit selber feststellen, was es ihm persönlich gebracht hat.

Aufgaben sind z. B. Vermessung eines Geländeabschnitts um die Schule herum oder außerhalb. Ausgehend von einem Vermessungsnetz werden Gelände und Wege vermessen und anschließend gezeichnet. Neben Aneignung und Anwendung von Messtechniken und Kartographie sollten sich die Schüler Grundlagen in Selbstorganisation und Projektmanagement erwerben.

Folgende messtechnische Kenntnisse und Fertigkeiten sollten sich die Schüler aneignen:

  • Umgang mit dem Bandmaß (horizontale Entfernungsmessung)
  • Umgang mit dem Marschkompass
  • Umgang mit dem Theodoliten (Horizontal- und Vertikalwinkel-Messung)
  • Anfertigung von Mess- und Rechenprotokollen
  • Auswertung der Protokolle und Qualitätssicherung
  • Flächenberechnung
  • Anfertigung maßstabsgetreuer Zeichnungen (Maßstab 1:500)
  • Anfertigung einer maßstabsgetreuen Karte

Der Arbeitstag beginnt immer um 8.00 Uhr mit einem Gesamtprojekt-Treffen. Danach wird in den jeweiligen Kleingruppen weitergearbeitet.
Thorsten Winterhoff (Mathematiklehrer)